Es ist kurz vor halb drei. Auf den Tischen des…
Prinzessinnen, Putzlappen und Posaunen
Furchtlose Ritter und hübsche Prinzessinnen haben es sich bei Charlotte Beckmann auf einem großen Sofa gemütlich gemacht. Gespannt lauschen sie ihrer Geschichte. Die 26-jährige Mitarbeiterin des Lydia-Kindergartens in Bielefeld liest aus einem Buch über die Sparrenburg und das Mittelalter vor. Das tut die junge Frau mit dem Down-Syndrom vielleicht etwas langsamer als ihre Kolleginnen und Kollegen. Für die Kinder macht das aber keinen Unterschied.
„Ritter“ ist das Wochenthema. Darum haben die Kinder Schwerter gebastelt und Holzschilde bemalt. Charlotte Beckmann achtet mit wachsamem Blick darauf, dass keiner der kleinen Knappen im Eifer des Gefechts übermütig wird. Sie lächelt, während sie das Treiben beobachtet. „Ich liebe Kinder! Und ich habe immer viel Spaß mit ihnen. Darum ist das hier mein Traumjob“, sagt sie.
Seit fast drei Jahren arbeitet Charlotte Beckmann als Alltagshelferin in dem Kindergarten – fünf Tage in der Woche und genau so lange wie ihre Kollegen. Sie übernimmt viele Aufgaben in der Betreuung. „Charlotte weiß sehr genau, was sie zu tun hat. Und wenn sie doch mal unsicher ist, gibt sie sofort Bescheid“, sagt Mitarbeiterin Petra Barsch. Charlotte Beckmann sei ein gleichberechtigtes Teammitglied. Außerdem würden die Kinder im Umgang mit ihr Berührungsängste gegenüber behinderten Menschen abbauen. „Wir beschäftigen Charlotte sehr bewusst. Viele Eltern haben unseren Kindergarten nur ausgewählt, weil wir auf Inklusion Wert legen und auch Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf haben“, so Petra Barsch.
Charlotte Beckmann lebt seit einem Jahr in dem Mehrfamilienhaus, das zum neu errichteten Babenquartier gehört. Ihr Einzelapartment befindet sich in einer Wohngruppe, in der noch sieben weitere junge Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen ambulant von Bethel betreut werden. Das Babenquartier liegt in unmittelbarer Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln, vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten sowie Ärzten und Apotheken. Der Standort ermöglicht den jungen Menschen ein Leben mit Unterstützungssicherheit im Alltag und in den vertrauten sozialen Bezügen. Ihre Angehörigen leben in unmittelbarer Nähe des Quartiers. Auch Charlotte Beckmann ist die Nähe zu ihren Eltern wichtig. „Zu Fuß brauche ich nur 20 Minuten zu meinem Elternhaus.“, freut sie sich.
Da sie nach ihrem Umzug in ihrem vertrauten Stadtteil Schildesche geblieben ist, kann Charlotte Beckmann auch wie gewohnt an den Proben des Posaunenchors Sudbrack teilnehmen, in dem sie schon seit fast elf Jahren aktiv ist. Weil sie auch noch tanzt und Golf spielt, ist ihr Freizeitkalender immer prall gefüllt.
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